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© ZEIT STIFTUNG BUCERIUS / Laura Müller
Kunstkritik für Demokratie: Erster Petra Kipphoff-Preis an Marlene Militz vergeben

„Ich habe noch nie so viel über mein Schreiben gehört wie heute“, sagte Marlene Militz an einem Abend Ende Juni 2025 im Bucerius Kunst Forum. Im Hamburger Ausstellungshaus erhielt die Journalistin den ersten Petra Kipphoff-Preis für jungen Kunstjournalismus, verliehen vom Verein der Freunde und Förderer des Kunstgeschichtlichen Seminars e. V. an der Universität Hamburg, uns als ZEIT STIFTUNG BUCERIUS und der Familie Kipphoff. Bei der feierlichen Zeremonie sprach Militz vor Kipphoffs Familie und dem Publikum mit dem Jurymitglied und stellvertretenden ZEIT-Feuilleton-Chef Dr. Hanno Rauterberg über ihre Arbeit als freie Journalistin für Medien wie die taz, Texte zur Kunst, Berlin Review, Zeit Online, Camera Austria, und den Blättern für deutsche und internationale Politik und gab Einblick in ihre zukünftige Promotion im Department Art & Archeology der Princeton University in den USA.

Marlene Militz schreibt „gut strukturierte und zugängliche kunstkritische Texte“, so die Jury

Dass es an diesem Abend um Militz‘ Schreiben ging, ist nur folgerichtig: Die 27-jährige setzte sich mit Texten zum Berliner Palast der Republik, zum Wechselspiel von Aktivismus und Kunst sowie zur Rolle von Kunst in Erinnerungskultur gegen zahlreiche Bewerber:innen durch. „Mit ihren Texten leuchtet Marlene Militz hinein in viele aktuelle Klein- und Großdiskussionen und seziert sprachgewandt die eigentümlichen Selbstwidersprüche der Kunstwelt“, hieß es in der gemeinsamen Begründung der Jury. „Sie schreibt gut strukturierte und zugängliche kunstkritische Texte, in denen den besprochenen künstlerischen Phänomenen ebenso Rechnung getragen wird, wie den sozialen Bedingungen, die in diese hineinreichen.“

„Petra wäre sehr gespannt und neugierig gewesen, Marlene Militz, ihr Denken und Schreiben kennenzulernen und sich mit ihr auszutauschen“, vermutete am Abend der Preisverleihung Prof. Karen Kipphoff, die Nichte der für diesen Preis namensgebenden großen Kunstjournalistin, Petra Kipphoff von Huene (1937-2023). Kipphoff selbst hatte im jungen Alter in den 1960er-Jahren angefangen, als freie Autorin für DIE ZEIT über Kunst zu schreiben und avancierte im Laufe ihrer langjährigen Karriere zu einer der bekanntesten Kunstkritiker:innen ihrer Zeit. Auch schrieb sie unter anderem für Merian oder die Neue Zürcher Zeitung und gab 2021 das Buch „Max Beckmann – der Maler als Schreiber“ heraus. Darin untersuchte die Journalistin die Wechselwirkung von Kunst und Schreiben in Max Beckmanns Werk.

„Gründlich und fabelhaft“ sei das lobreichste Urteil gewesen, dass man von Petra Kipphoff erhalten haben könne, sagte Manuel Hartung, Vorstandsvorsitzender der ZEIT STIFTUNG BUCERIUS, in seiner Ansprache bei der Preisverleihung. Womöglich hätten dieses Prädikat auch die Arbeiten von Marlene Militz erhalten. Der Weg zum Text ist für eine:n Journalist:in aber nicht immer einfach – das weiß die Preisträgerin: „Ich schreibe gerne und schnell; ich sitze höchstens zwei Minuten vor einer leeren Seite. Aber bis dahin ist es eine Qual“, so Militz. Mit Hanno Rauterberg sprach sie nicht nur über den Arbeitsprozess, sondern diskutierte auch das Zusammenspiel von Kunstkritik und gesellschaftspolitischen Diskussionen.

Feuilleton als streitbares Organ: Über die Bedeutung von Kunstkritik für die Demokratie 

Um die elementare Funktion von Kunstkritik als Mittel in demokratischen Debatten, um das Feuilleton als streitbares Organ geht es auch beim Petra Kipphoff-Preis selbst. „Gerade in Zeiten, die von kriegerischer Auseinandersetzung, politischer Instabilität und Vertrauensverlust in die Medien gekennzeichnet sind, möchten wir ein Zeichen setzen“, sagte dazu an diesem Abend Dr. Iris Wenderholm, Professorin an der Universität Hamburg und Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des Kunstgeschichtlichen Seminars e. V., in ihrer Laudatio. „Denn wir verstehen Kunstkritik und Kulturjournalismus nicht als ein Mittel, über Kunst und Kultur informiert zu werden, sondern als kulturelle Selbstvergewisserung und die Möglichkeit, interkulturell und über Grenzen hinweg in einen Dialog zu treten.“

 

Marlene Militz schilderte im Gespräch mit Hanno Rauterberg ihre zeitweise Zögerlichkeit, eine klare Meinung in Texte einzubringen. Im Endeffekt aber traue sie sich – und bezieht immer wieder starke Meinungen. Debattenfreude sei im Kunstjournalismus jenseits von großen, ethischen Auseinandersetzungen nur noch „punktuell“ spürbar, sagte Militz – weil die Freiheit der Kritik auch von finanziellen Abhängigkeiten überschattet sei: „Man kann eigentlich nur wirklich kritisch über etwas schreiben, wenn man weiß: ,Da möchte ich nicht arbeiten‘“. Hanno Rauterberg lobte hingegen Militz eigene Texte, die ihr zum Preis verhalfen: „[Sie] zeichnen sich dadurch aus, dass sie langen Atem haben und dass sie versuchen, aktuelle Phänomene auf durchaus kontroverse Weise zu deuten“.

Parallel zu ihrer journalistischen Arbeit forscht Marlene Militz wissenschaftlich und wird ihre Tätigkeit hierzu bald an der berühmten Princeton-Universität in den USA fortsetzen. Dort erweitert die Leipzigerin das Thema ihrer Masterarbeit über eine Ausstellung, die in Paris kurz nach dem Mauerfall 1990 rund 200 Künstler:innen aus dem nonkonformen Spektrum in der DDR zusammenbrachte. Durch das journalistische Schreiben gelängen ihr die wissenschaftlichen Arbeiten inzwischen besser, erklärte Militz an diesem Abend im Bucerius Kunst Forum. Aber: Auch die Wissenschaft könne sich mehr dafür interessieren, in welchem Stil ein Text geschrieben würde.

Vielleicht kann der preisgekrönte Journalismus von Marlene Militz hier ein Bindeglied für die Wissenschaftskommunikation sein. Eines, das vermittelt, einordnet – und dort Orientierung gibt, wo sie gebraucht wird.

Der Abend wurde musikalisch begleitet von Lennart Meyer und dem Bandprojekt HEARTHOLDER, mit Lucas Etcheverria und Joshua Weiß.

Der Petra Kipphoff-Preis für jungen Kunstjournalismus wird alle zwei Jahre verliehen. Mehr Infos zum Preis und zur Jury hier.

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